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Medienzukunft: Antworten auf die Medienkrise gesucht

Journalismus ist systemrelevant, und zwar auf fundamentale Weise. Ohne freie, unabhängige, professionelle Medien verlieren Gesellschaften in weiten Teilen die Fähigkeit zur Selbstbeobachtung. Sie können sich dann nicht mehr im offenen Diskurs darüber verständigen, wer sie sind, wo ihre Probleme liegen und wie Lösungen aussehen könnten. Eine kritische Beobachtung der Mächtigen in Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft findet nicht mehr ausreichend statt. Gesellschaften sind dann staatlicher Propaganda, Public Relations und den wüsten Lärmspiralen der Sozialen Medien schutzlos ausgeliefert. Wenn der unabhängige Journalismus stirbt, dann stirbt die Demokratie. Beispiele dafür gibt es weltweit reichlich.

Glücklicherweise verfügt die Bundesrepublik über eine Vielzahl qualitativ hochwertiger journalistischer Medien. Bislang jedenfalls. Hält die Corona-Krise länger an, könnte sie Teile der deutschen Medienlandschaft verwüsten: Privatwirtschaftlich finanzierter Journalismus, zuvor bereits unter Druck durch die Digitalisierung, könnte durch die dramatischen wirtschaftlichen Folgen der Pandemie in eine finale Existenzkrise geraten. Werbeeinnahmen und Veranstaltungserlöse brechen weg, Kurzarbeit wird angekündigt, die redaktionelle Qualität ist bedroht. Das betrifft Verlage, Sender und in besonderem Maße freie Journalistinnen und Journalisten.

Es ist eine paradoxe Konstellation: Während die Nachfrage der Bürger nach verlässlichen Informationen, nach Einordnung und kritischer Recherche so groß ist wie seit langem nicht, während Redaktionen rund um die Uhr vom Homeoffice aus arbeiten, bricht die wirtschaftliche Basis eben dieser Arbeit weg. Die digitalen Vertriebserlöse mögen derzeit steigen, aber bei den meisten Medienunternehmen reichen sie nicht annähernd aus, um hochwertigen Journalismus auf Dauer zu finanzieren.

Auf dem Spiel stehen Stärken des deutschen Journalismus: Professionalität, Unabhängigkeit und Vielfalt. Journalisten müssen in der Lage sein, kenntnisreich und verantwortungsvoll die komplexe Wirklichkeit zu erklären, Unzulänglichkeiten zu thematisieren und Missstände aufzudecken. Dies ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die fundierte Bildung und professionelle Ausbildung erfordert. Journalismus ist ein hochspezialisierter Beruf.

Niemand hat die Wahrheit gepachtet, kein Politiker, kein Wissenschaftler, natürlich auch kein Journalist. In freien Gesellschaften herrscht ein permanenter Deutungswettbewerb um die Wahrheit. Dieser Wettbewerb braucht eine lebendige Medienlandschaft als Austragungsort. Seit Gründung der Bundesrepublik bildet die Dualität aus privatem und öffentlich-rechtlichem Journalismus die Basis der Demokratie in diesem Land. All dies steht zur Disposition. Die Verheerungen der heraufziehenden Medienkrise im Zuge der wohl schwersten Rezession seit Ende des Zweiten Weltkriegs bedrohen Qualität und Vielfalt.

Die wirtschafts- und sozialpolitischen Instrumente, die der Bundestag verabschiedet hat, sind dazu geeignet, einen vorübergehenden Rückgang der Erlöse abzufedern. Dies hilft auch Medienunternehmen in der akuten Finanznot. Doch mittelfristig wird das nicht ausreichen. Der direkte Einstieg des Staates als Miteigentümer, der bei Banken und Industrieunternehmen möglich sein mag, ist für journalistische Medien keine gute Option. Wer die Mächtigen beobachten soll, braucht Distanz, auch in wirtschaftlicher Hinsicht.

Ein beispielloses Mediensterben kündigt sich an, verbunden mit der Konzentration auf wenige sehr große Medienmarken. Ganze Regionen könnten weitgehend ohne journalistische Berichterstattung dastehen. Wie bedroht Medienqualität und Pressefreiheit aktuell sind, zeigt eine Serie des European Journalism Observatory zur Pandemieberichterstattung rund um den Globus.

Soweit dürfen wir es in Deutschland nicht kommen lassen. Wir brauchen innovative Ansätze, die eine vitale, unabhängige Medienlandschaft sichern. Optionen gibt es einige: neues privatwirtschaftliches journalistisches Unternehmertum, stiftungsfinanzierte Angebote, die Verbreiterung und Intensivierung des öffentlichen-rechtlichen Journalismus wo nötig, die Förderung des Journalismus nach dem Vorbild der Film-, Kultur- oder Forschungsförderung und Vieles mehr. Generell plädieren wir zudem für eine kooperationsorientierte Weiterentwicklung der Medienordnung: Wechselseitig vorteilhafte Kooperationen und Allianzen zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Medienunternehmen sollten grundsätzlich ermöglicht und gefördert werden, sofern sie den publizistischen und journalistischen Wettbewerb stützen.

Als Institut für Journalistik (IJ) der Technischen Universität Dortmund, der größten universitären Einrichtung für journalistische Bildung im deutschsprachigen Raum, sehen wir uns in der Verantwortung, dabei zu helfen, Antworten auf die Medienkrise zu finden.

Lösungen entstehen im Diskurs. Als unabhängige Institution bieten wir an, die Plattform für diesen Diskurs bereitzustellen. Wir laden Verlage, Medienunternehmen, Medienpolitiker, öffentlich-rechtliche Anstalten, journalistische Start-ups, interessierte Investoren, Verbände, Journalistinnen und Journalisten und Stifter ein, kooperativ an solchen Lösungen zu arbeiten. Ziel ist es, gemeinsam diesen wichtigen Teil der demokratischen Infrastruktur zu erhalten.

Ende April soll eine erste Videokonferenz mit interessierten Akteuren stattfinden. Parallel dazu werden wir eine Reihe mit Beiträgen zur Zukunft des unabhängigen Journalismus auf unserer Website veröffentlichen.

Wollen Sie mitmachen? Dann sprechen Sie die Geschäftsführung des Instituts für Journalistik direkt an (Kontakt für diese Initiative: henrik.mueller(at)tu-dortmund.deholger.wormer(at)tu-dortmund.detina.bettels(at)tu-dortmund.de).

Die Professorinnen und Professoren des Instituts für Journalistik:

Prof. Holger Wormer (Geschäftsführender Direktor)

Prof. Dr. Henrik Müller (stellv. Geschäftsführender Direktor)

Prof. Dr. Susanne Fengler

Prof. Dr. Tobias Gostomzyk

Prof. Dr. Frank Lobigs

Prof. Dr. Wiebke Möhring

Prof. Dr. Michael Steinbrecher

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