Im Auftrag der Grünen Bundestagsfraktion hat ein Team der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz ein Gutachten zu „Möglichkeiten öffentlicher Förderung von Lokal- und Regionaljournalismus bei Wahrung der Staatsferne“ verfasst. Der Mehrwert des Gutachtens bestehe vor allem darin, dass die kommunikations- und rechtswissenschaftliche Perspektive darin verschränkt worden sei, sagte Pascal Schneiders, der an dem Gutachten mitgewirkt hat und in unserer Konferenz den kommunikationswissenschaftlichen Teil des Gutachtens vorstellte. Zunächst habe das Team um Junior-Professorin Leyla Dogruel die Effekte von direkter Förderung auf die Angebotsvielfalt journalistischer Leistungen abgeschätzt. Hier seien vor allem in skandinavischen Ländern vielfaltserhaltende Effekte festgestellt worden. Die Kausalität abzuschätzen, sei jedoch schwierig, so Schneiders.
In ihrer Analyse beschäftigte sich das Team mit den Ländern Dänemark, Frankreich, Kanada, Niederlande, Norwegen, Österreich, Schweden und Schweiz, da dort bereits direkte Förderungen für den Journalismus existieren und deren Mediensysteme dem deutschen ähnelten. Das Team analysierte die Förderungen der Länder dann im Hinblick auf Ausstattung, Finanzierungsquellen, Vergabemodus, Förderkriterien und Aufsicht. Ein deutsches Fördersystem für den Lokal- und Regionaljournalismus sollte aus Sicht der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler folgende Voraussetzungen erfüllen: Es sollte distributions- (multimedial) und geschäftsmodell-offen (für non-profit, als auch für for-profit) gefördert werden und Staatsferne und Transparenz müssten sichergestellt werden. Aus diesen Voraussetzungen bildete das Team dann drei mögliche Fördersysteme: Ein Produktionsprojektfonds, eine an Kriterien gebundene Produktionsunterstützung und ein Innovationsfonds.
Wer ist zuständig?
Wenn man die 200 Mio. Euro, die das Bundeswirtschaftsministerium für die Förderung von Verlagen vorgeschlagen hatte, zugrunde legt, könne sich Schneiders vorstellen, 140 Mio. Euro für die Produktionsunterstützung, 10 Mio. Euro für den Produktionsprojektfonds und 50 Mio. Euro für den Innovationsfonds aufzuwenden. Damit journalistische Medien Gelder zur Produktionsunterstützung erhalten können, müssen sie aus Sicht von Schneiders bestimmte Kriterien erfüllen. Beispielsweise sollten mindestens zwei Vollzeitmitarbeiter in der Redaktion angestellt sein und Professionsstandards eingehalten werden. Die Inhalte sollten einen Bezug zu Lokal- oder Regionalthemen haben und es sollten mindestens 50 Prozent der Inhalte im jährlichen Durchschnitt redaktioneller Herkunft sein. Diese Schwelle solle aber nur für Printprodukte gelten.
Der Werbeanteil dürfte aus Sicht von Schneiders nicht über 50 Prozent liegen und zumindest ein Teil der Inhalte sollte kostenlos zugänglich sein. Wünschenswert sei es darüber hinaus, wenn die Inhalte zumindest im wöchentlichen Rhythmus erscheinen würden. Die Höhe der Förderungen würde sich aus Sicht von Schneiders nach den Redaktionskosten und der Reichweite richten.
Im Impuls von Prof. Matthias Cornils, der den rechtswissenschaftlichen Teil des Gutachtens vorstellte, wurde schnell deutlich, dass auch die Frage nach der Zuständigkeit eine sehr wichtige ist. Für Vielfaltssicherung seien die Länder verantwortlich. Damit der Bund fördern kann, müsse erstmal eine Gesetzgebungskompetenz vorliegen. Diese könne z.B. im Recht der Wirtschaft begründet liegen. Im Sinne eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts könnten auch publizistische und kulturelle Aspekte eine Rolle spielen, wenn auch wirtschaftliche Zwecke verfolgt werden. Eine Produktionsunterstützung oder ein Innovationsfonds mit wirtschaftlichem Schwerpunkt wären also durchaus denkbar.
Projektförderungen sind problematisch
Möglicherweise könne der Bund auch Lokal- und Regionaljournalismus fördern. Cornils argumentierte, dass eine flächendeckende journalistische Versorgung mit Informationen im gesamtstaatlichen Interesse liegen könne. Non-profit Journalismus könne der Bund aber nicht fördern, da die Wirtschaftlichkeit fehle. Eine Projektförderung sei für den Bund außerdem ebenfalls schwierig, da der Fokus hier eher auf dem publizistischen Wettbewerb liege. Förderungen bestimmter Projekte sieht Cornils als problematisch an, da man hier kaum ausschließen könne, dass nach Inhalten bewertet wird.
Eine Produktions- und Vertriebskostenunterstützung und Innovationsförderungen könne sich Cornils hingegen gut vorstellen, da sie das Gebot der Neutralität nicht verletzten. Außerdem sieht Cornils kein verfassungsrechtlich gebotenes Gießkannenprinzip, dass für jeden, frei von Differenzierung das Gleiche auswerfe. Vielmehr sei Selektion möglich, sofern die Meinungsneutralität der Auswahlkriterien und Vergabe gewahrt bliebe.
Öffentliche Förderungen sind nicht neu
Steffen Augsberg ist Professor für öffentliches Recht an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Er hat sich in einem Kurzgutachten für die Wissenschafts-Pressekonferenz mit Möglichkeiten und Grenzen staatlicher Unterstützung des Wissenschaftsjournalismus beschäftigt. „Wir haben es ein bisschen mit einer Lebenslüge zu tun, wenn wir sagen, der Journalismus wird nicht öffentlich gefördert“, so Augsberg. Im Rundfunkbereich sowieso, aber auch im Printjournalismus werde direkt und indirekt gefördert. Eine Staatsfreiheit in einem „radikalen“ Sinne gebe es also keineswegs. Es gibt aus Sicht von Augsberg einerseits ein Bedürfnis nach einem vernünftigen, objektiven und aufgeklärten Wissenschaftsjournalismus. Andererseits sehe man aber Tendenzen, dass gerade am Wissenschaftsjournalismus in den Redaktionen gespart werde.
Die Kompetenzen seien im Wissenschaftsjournalismus andersgelagert als im Lokal- und Regionaljournalismus, da man das hier eher das Recht der Wissenschaft heranziehen müsse, so Augsberg. Wissenschaftsjournalismus habe eine spezifische Position im Wissenschaftssystem. Inzwischen sollten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Arbeiten selbst an die Öffentlichkeit tragen, obwohl das eigentlich mal die Aufgabe des Wissenschaftsjournalismus gewesen sei.
Wenn Transferleistungen und Popularisierungen der Arbeiten zum Wissenschaftssystem gehören, könnten Wissenschaftsjournalistinnen und Wissenschaftsjournalisten ebenfalls als Teil der Wissenschaft angesehen werden. Der Kompetenztitel wäre also das Recht der Wissenschaft. Das bedeute nicht, dass sie zu „Handlangern“ der Wissenschaft würden. Aus seiner Sicht wäre es sinnvoll, wenn jene die Aufgabe der Kommunikation übernehmen, die sich auch wirklich damit auskennen, also Journalistinnen und Journalisten. Was dann die konkrete Ausgestaltung der Förderung angehe, stimmte Augsberg seinem Kollegen Cornils zu, dass eine politische Einflussnahme ausgeschlossen werden müsse und deshalb keine Inhaltsbewertung vorgenommen werden dürfe.
Wie stellt man Staatsferne her?
Prof. Tobias Gostomzyk vom Institut für Institut für Journalistik kommentierte die Arbeiten von Pascal Schneiders und Matthias Cornils und Steffen Augsberg im Anschluss. Beide Gutachten verbinde der Untersuchungsgegenstand, ob dem Bund eine Kompetenz für die Medienförderung zukommen könne. Das sei erstmal begründungpflichtig, weil der Bund für das Recht der Wirtschaft zuständig sei und die Länder für die Medieninhalte. Die Konfliktlinien seien hier seit jeher zahlreich. Dennoch sähen beide Referenten einen Weg, eine Kompetenz des Bundes zu begründen, wenngleich auch in zurückhaltender Form. Speziell eine Förderung des Lokal- und Regionaljournalismus durch den Bund könne problematisch sein, da die Länderkompetenzen hier berührt werden. Über das Recht der Wirtschaft sei aber möglicherweise eine Kompetenz des Bundes möglich, so Gostomzyk.
Helmut Hetzel, Ehrenpräsident der Vereinigung Europäischer Journalisten EJ, fragte, ob es nicht „blauäugig“ sei zu denken, dass der Staat sich komplett heraushalte. Er verwies auf das Beispiel des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und sagte, dass es dort einen Einfluss der politischen Parteien gebe. Matthias Cornils entgegnete darauf, dass es, selbst wenn es solche Einflussnahmen gebe, kein Grund bestehe, es noch schlimmer zu machen. „Das ist keine Logik, der ich folge“, so Cornils. Darüber hinaus erklärte er, dass die Kriterien, nach denen gefördert werde, „inhaltsblind“ ausgestaltet sein müssten. Man solle bloß nicht anfangen zu gewichten, ob dieser oder jener Text ein sinnvoller Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung sei: „Das darf gar keine Institution“, sagte Cornils.
Pascal Schneiders ergänzte, dass es einige Beispiele dafür gebe, dass sich Autonomie und Förderung des Journalismus nicht gegenüberständen. Inhaltsanalysen französischer Medien hätten gezeigt, dass die, die Förderungen erhalten haben, nicht weniger regierungskritisch berichteten als die, die keine bekamen. Außerdem sei ihm ein transparentes, staatsfernes Förderprogramm lieber, als wenn große Plattformen intransparent journalistische Medien förderten.
Kann der Bund ein „Spotify für den Journalismus“ fördern?
Frank Lobigs, Professor für Medienökonomie am IJ, fragte Matthias Cornils, wie er die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine Bundesförderung in Bezug auf ein „Spotify für den Journalismus“ einschätze, also einer Plattform, die journalistische Inhalte im Abo anbietet und dadurch einen neuen Markt schafft. Cornils betonte, dass eine solche Plattform ja notwendigerweise groß gedacht sein müsse und deshalb aus seiner Sicht auf Bundesebene zu fördern wäre.
Franco Zotta, Geschäftsführer der Wissenschafts-Pressekonferenz, stellte die Frage in den Raum, ob es aus Gründen der Staatsferne sinnvoller wäre, zwischen die zu fördernden Medien und den Staat einen Intermediär zu setzen. Nach Ansicht von Steffen Augsberg sei das ein möglicher Weg -unter den Voraussetzungen, dass ein solcher Intermediär unabhängig sei und sich seine Förderrichtlinien selbst geben könne. Matthias Cornils und IJ-Professor Holger Wormer warfen jedoch die Frage in den Raum, wer denn eigentlich die legitimierten Gutachter seien, die über die Förderungen entscheiden.
Wir verabschieden uns mit unserer Konferenz zur Medienzukunft in die Sommerpause und starten wieder nach der Bundestagswahl.