von Paula Hammerschmidt und Anna Kipnis
Acht Tage, rund 1200 Kilometer, eine Reise quer durch Polen – von Dortmund über Warschau und Białystok bis an einen Grenzübergang zu Belarus. 14 Journalistik-Studierende der TU Dortmund reisten Anfang April unter der Leitung von IJ-Mitarbeiter Dominik Speck bis an eine der sichtbarsten Außengrenzen der EU. Ihr Thema: Flucht und Migration im Kontext geopolitischer Herausforderungen an der EU-Ostgrenze.
Polen ist derzeit im Wandel: Das Land hat sich in den vergangenen Jahren von einem Auswanderungs- zu einem Einwanderungsland entwickelt. Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine hat Polen hunderttausende ukrainische Geflüchtete aufgenommen. Gleichzeitig setzt die polnische Regierung seit Ende März 2025 das Asylrecht an der Grenze zu Belarus aus, über die seit 2021 vermehrt Geflüchtete aus der ganzen Welt nach Polen gekommen sind. Polen wirft Belarus und Russland vor, Migrant:innen dort über die Grenze zu drängen, um die EU zu destabilisieren. Nicht zuletzt spielt das Thema Migration in Polen auch eine entscheidende Rolle im aktuellen Wahlkampf vor den anstehenden Präsidentschaftswahlen im Mai.
All diese Entwicklungen waren Grund genug für den Lehrstuhl für internationalen Journalismus und das ihm angeschlossene Erich-Brost-Institut für internationalen Journalismus (EBI), Polen als Ziel der diesjährigen Studienreise auszuwählen, die von Prof. Dr. Susanne Fengler, Dominik Speck und Isabella Kurkowski konzipiert und vorbereitet wurde.
Was im Vorfeld, etwa beim zweitägigen Vorbereitungsseminar im März, nach viel Theorie und Statistiken klang, erwies sich als intensive und emotionale Recherchereise – mit Menschen hinter den Zahlen. Die Studierenden trafen Journalist:innen, Vertreter:innen von NGOs und Behörden – und Menschen, deren Leben von Flucht und Grenzerfahrungen geprägt ist. Sie erhielten Einblicke in politische, soziale und mediale Dynamiken, die in Polen seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine besonders sichtbar geworden sind. Auch gemeinsam mit polnischen Studierenden des IJ-Partnerinstituts für Journalismus und öffentliche Kommunikation an der SWPS-Universität in Warschau wurde bei gemeinsamen Terminen und auch abseits davon über Migration, Klischees und Kulturunterschiede debattiert. Bei Workshops und Seminaren an der SWPS-Universität, aber auch beim gemeinsamen Pierogi essen und spätestens beim Karaoke-Abend wurde klar: Grenzen überwinden funktioniert manchmal auch ganz ohne Politik.
Erster Stopp: Warschau
Mit dem Zug reisten die Studierenden von Dortmund aus nach Warschau. Dort stand als Erstes ein ganztägiger Workshop mit polnischen Studierenden an der SWPS-Universität auf dem Programm. Die Gruppe aus Dortmund erhielt dabei erste Einblicke in den aktuellen Migrationsdiskurs und die Stimmung im Land. Außerdem gaben die polnischen Dozierenden und Studierenden ihnen wichtige Hinweise für die Recherchen in Polen, halfen bei der Vermittlung von Gesprächspartner:innen und unterstützten sie bei der Vorbereitung der Interviews.
Um Kommunikation ging es auch bei Gesprächen in der deutschen Botschaft und im ARD-Studio Warschau. Bei beiden Terminen standen das Leben und die Arbeit als Deutsche in Polen sowie der Umgang mit dem teils komplizierten deutsch-polnischen Verhältnis im Vordergrund.
Am Zentrum für Migrationsforschung der Universität Warschau lernten die Studierenden mehr über die rechtliche und humanitäre Situation an der polnisch-belarussischen Grenze aus wissenschaftlicher Perspektive. Besonders spannende Einblicke konnte dazu auch die Aktivistin Kalina Czwarnóg von der Stiftung Ocalenie geben, die die Studierenden am letzten Exkursionstag in Warschau trafen.
Zweiter Stopp: Białystok
Von Warschau aus ging es für die Studierenden weiter nach Białystok. Die Stadt liegt rund 180 Kilometer nordöstlich von Warschau und in der Nähe der polnisch-belarussischen Grenze. Auch hier standen wieder mehrere Treffen mit NGOs auf dem Programm. Bei den Terminen in Białystok unterstützte Dr. Michał Chlebowski, Dozent an der SWPS-Universität, die Gruppe und übersetzte viele der Gespräche. Zusätzlich begleitete auch Dr. Sara Namusoga, Gastforscherin am EBI, die Gruppe gemeinsam mit Dominik Speck auf der Etappe nach Białystok.
Vor Ort hatten die Studierenden die Gelegenheit, mit Geflüchteten zu sprechen und eine Unterkunft für Geflüchtete zu besuchen. Im Regionalstudio Białystok des privaten Nachrichtensenders TVN, der auch regelmäßig selbst von der belarussischen Grenze berichtet, erfuhr die Gruppe, welche Schwierigkeiten es bei der Prüfung von Fakten und der Suche nach der Wahrheit im Grenzgebiet gibt.
Ein besonderes Erlebnis war der Besuch am Grenzübergang Kuźnica an der Grenze zu Belarus, der seit 2021 geschlossen ist. Mitarbeiter der polnischen Grenzpolizei zeigten den Dortmunder Studierenden dort, wie sie versuchen, die Grenze vor irregulären Übertritten zu sichern. Die Gruppe konnte sich zudem ein eigenes Bild von dem stark gesicherten Grenzzaun mit Überwachungssystem machen, den die polnischen Behörden in den letzten Jahren entlang dieser EU- und NATO-Außengrenze errichten ließen.
Berichte erscheinen in verschiedenen Medien
Neben dem Rahmenprogramm haben viele der Studierenden während der Reise eigene Interview-Termine wahrgenommen. Sie erhielten dadurch wertvolle Einblicke in die Berichterstattung aus dem Ausland und lernten nicht zuletzt durch die Zusammenarbeit mit den polnischen Studierenden mehr über kollaborativen Cross-Border-Journalismus. Aus ihren Recherchen erstellen die Studierenden in den kommenden Wochen journalistische Beiträge, die in verschiedenen Medien veröffentlicht werden.
Finanziell unterstützt wurde die Studienreise von PROMOS, dem Programm des Deutschen Akademischen Austauschdiensts (DAAD) zur Steigerung der Mobilität von Studierenden. PROMOS-geförderte Exkursionen der vergangenen Jahre führten IJ-Studierende unter anderem nach Zypern, Rumänien sowie Kroatien und Bosnien-Herzegowina.
Paula Hammerschmidt und Anna Kipnis studieren beide im Master Journalistik am IJ und haben an der Exkursion nach Polen teilgenommen.