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DoCMA Working Paper: Medienaufmerksamkeit für Inflation flaut ab

Die Berichterstattung über die Inflation in Deutschland ebbt allmählich ab, obwohl die Preissteigerungsraten unverändert hoch sind. Das ist das Ergebnis der jüngsten Ausgabe des Inflation Perception Indicator (IPI), den das Dortmund Center for data-based Media Analysis (DoCMA) regelmäßig berechnet. Ein soeben erschienenes Working Paper stellt die aktuellen Daten dar. 

Das Autorenteam vom Lehrstuhl für wirtschaftspolitischen Journalismus des IJ und von der Fakultät für Statistik der TU erkennt eine problematische Entwicklung. „Wir sind Zeitzeugen eines Inflation Attention Cycle“, sagt IJ-Professor Henrik Müller, einer der Autoren. Die Medienaufmerksamkeit ermüde, ohne dass das dahinter liegende Problem gelöst wäre. Es fehle der Neuigkeitswert, weshalb das Thema allmählich durch andere Entwicklungen verdrängt werde. Dies sei für wirtschaftliche Phänomene typisch, so Müller: „Problemlagen bauen sich häufig schleichend und unentdeckt auf; es fehlten Schlüsselereignisse, die einprägsame Bilder liefern. Abstrakte Entwicklungen halten sich selten in den Schlagzeilen.“ Der Journalismus sei gefordert, diesem verbreiteten Mechanismus entgegenzuwirken und Wege zu finden, wichtige reale Probleme auf der Agenda zu halten. Über die Ergebnisse berichtete vorab bereits das Handelsblatt.

In dem Papier legen die Autor:innen dar, dass das vorzeitige Abflauen der öffentlichen Aufmerksamkeit reale wirtschaftliche Auswirkungen haben kann. Dabei stellen sie eine Verbindung her zur ökonomischen Theorie der „rational inattention“. Die Bürger:innen beschäftigen sich nicht ständig mit makroökonomischen Daten, sondern tun dies nur, wenn diese überraschend negativ ausfallen. Die Medien setzen die Schwerpunkte der Berichterstattung entsprechend. Dadurch aber beeinflussen sie die Inflationserwartungen: Bei intensiver Medienaufmerksamkeit passen Unternehmen, Beschäftigte und Konsumenten ihre Zukunftseinschätzungen und ihr Verhalten an. Geht die Berichterstattung jedoch zurück, erfolgt die Anpassung der Erwartungen nur mit Zeitverzögerung. Dadurch hinkt die Wahrnehmung der ökonomischen Wirklichkeit hinter der eigentlichen Entwicklung her. Inflationserwartungen erweisen sich als „sticky“. Umso schwieriger wird es, die Inflationsraten wieder auf frühere Niveaus abzusenken. 

In der Ökonomik-Literatur ist das Phänomen der verzögerten Anpassung von Inflationserwartungen vielfach beschrieben. Das DoCMA-Paper stellt nun erstmals einen Zusammenhang zu Medienmechanismen her.

 

Müller, H., Schmidt, T., Rieger, J., Hornig, N. and Hufnagel, L. M. (2023). “The Inflation Attention Cycle. Updating the Inflation Perception Indicator (IPI) up to February 2023 – a Research Note”, DoCMA Working Paper #13. doi: 10.17877/DE290R-23141

 

©Thomas Leiss – stock.adobe.com

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