Mit dem Projekt HOLO-VOICES des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft (MKW) des Landes Nordrhein-Westfalen und der TU Dortmund entsteht auf dem UNESCO-Welterbe Zollverein in Essen ein neuer Ort der Erinnerung, der den Überlebenden des Holocausts eine Stimme für die Ewigkeit gibt. Dank moderner Künstlicher Intelligenz (KI) und holographischer Projektionstechnik werden die Erfahrungsberichte von Zeitzeug:innen für nachkommende Generationen dauerhaft gesichert und ab 2026 in einer Ausstellung für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die wissenschaftliche Projektleitung liegt bei der TU Dortmund, die insbesondere ihre Expertise in den Bereichen KI und Journalismus einbringt.
Die Idee für das Projekt stammt von einer USA-Reise der Wissenschaftsministerin Ina Brandes im vergangenen Jahr, als sie und TU-Rektor Prof. Manfred Bayer beim Besuch des Illinois Holocaust Museum in Chicago erlebten, wie beeindruckend die Begegnung mit Holocaust-Überlebenden mittels eines Hologramms sein kann. Daraus erwuchs die Idee der Ministerin, dass Nordrhein-Westfalen auch einen solchen Erinnerungs- und Lernort braucht – ein Plan, der bei allen Beteiligten sofort auf uneingeschränkte Zustimmung stieß. Denn der Holocaust und das damit verbundene Leid der Jüdinnen und Juden prägt die deutsche Geschichte auch 80 Jahre nach dem Ende der Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus.
Die Erinnerung an die Gräuel, verbunden mit der Mahnung, die Stimme gegen Antisemitismus und Rassismus zu erheben, gehört zu den bleibenden Aufgaben deutscher Erinnerungskultur. „HOLO-VOICES lässt die Überlebenden des Holocaust zu Wort kommen. Wir brauchen ihre authentischen Schilderungen, um eine Ahnung davon zu bekommen, welches Leid sie erfahren mussten – und welche Schuld die Mitläufer und Schweiger auf sich geladen haben“, sagt Ina Brandes. Da die Erzählungen und Erfahrungen der Zeutzeug:innen den Terror des Nationalsozialismus greifbar machen, sind persönliche Begegnungen und Gespräche mit ihnen von unschätzbarem Wert. Da nur noch wenige von ihnen leben, ist es Ziel von HOLO-VOICES, die verbleibende Zeit zu nutzen, um ihre Geschichten für die nachfolgenden Generationen zu bewahren und erlebbar zu machen.
Technische und journalistische Projektleitung der TU Dortmund
Durch moderne Technik werden die originalen Videoaufnahmen von Zeitzeug:innen so geschickt projiziert, dass die Qualität der Darstellung einem Hologramm gleichkommt. Künstliche Intelligenz wird es Besucher:innen ermöglichen, in Interaktion mit den Holocaust-Überlebenden zu treten und ihnen Fragen zu stellen. Die KI ermittelt dafür die passende Original-Antwort, die die Zeitzeug:innen zuvor im Interview gegeben haben. Am Institut für Journalistik wurde von Dr. Susanne Wegner und Prof. Wiebke Möhring gemeinsam mit der Studentin Fabia Lulis und dem Verein ZWEITZEUGEN e. V. ein umfangreicher Fragenkatalog erstellt, um gemeinsam mit Mediengestalter:innen der TU Dortmund weitere Interviews mit Holocaust-Überlebenden zu führen. Die Datenverarbeitung koordiniert ein Team um Prof. Mario Botsch von der Fakultät für Informatik. „Als ein führender Standort der KI-Forschung bringen wir mit großem Engagement unsere Expertise ein, um jungen Menschen einen Dialog mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen des Holocaust dauerhaft zu ermöglichen. HOLO-VOICES ist für uns zu einem interdisziplinären Forschungsprojekt geworden. Gemeinsam erarbeiten Expertinnen und Experten aus Journalismus und KI zusammen mit Historikerinnen und Historikern einen wertvollen Beitrag gegen Antisemitismus und Rassismus“, sagt TU-Rektor Prof. Manfred Bayer.
Ein erstes Interview ist bereits an der TU Dortmund geführt worden, und zwar mit Eva Weyl. Sie wurde 1942 nach Westerbork verschleppt, das als „Portal zur Hölle“ bekannt war, da es als Durchgangslager zu Vernichtungslagern wie Auschwitz-Birkenau diente. 1945 wurde sie von kanadischen Soldaten befreit. „Die moderne Technik mit KI ist fantastisch. So kann ich mithelfen, dass die Geschichte bewahrt bleibt. Besonders den jungen Menschen möchte ich sagen: Ihr müsst die Vergangenheit kennen, um zu helfen, dass der Frieden bewahrt bleibt. Helft mit gegen Intoleranz, gegen Respektlosigkeit und gegen Entwürdigung“, sagt die Zeitzeugin. Auch zwei Interviews, die das Deutsche Exilarchiv 1933-1945 der Deutschen Nationalbibliothek bereits vor einigen Jahren geführt hat, werden nun für die Hologramm-Technik genutzt.
Durch Stiftungen gefördert
Es ist gelungen, gleich mehrere Förderer für das europaweit einzigartige Projekt zu gewinnen: Die RAG-Stiftung, die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung und die Brost-Stiftung tragen rund 35 Prozent der Gesamtkosten von rund 3,2 Millionen Euro. Die restliche Finanzierung liegt beim Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.
Ausstellungen sind ab Januar 2026 auf Zollverein zu sehen
„HOLO-VOICES – begegnen • fragen • weitersagen“ wird am 27. Januar 2026, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, von Ministerpräsident Hendrik Wüst auf dem UNESCO-Welterbe Zollverein eröffnet. Zu Beginn der Ausstellung werden die Hologramme von Inge Auerbacher und Kurt Salomon Maier des Deutschen Exilarchivs 1933-1945 der Deutschen Nationalbibliothek gezeigt, begleitet von der Ausstellung „Frag nach!“. Außerdem wird es eine vom Verein ZWEITZEUGEN kuratierte Ausstellung „Unter Tage – Unter Zwang“ zur Zwangsarbeit im Steinkohlenbergbau geben, die in Kooperation mit dem Ruhr Museum entsteht.