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Neues Buch zu Wirtschaftsjournalismus von Prof. Henrik Müller erschienen

Das neue Buch von Henrik Müller "Challenging Economic Journalism. Covering Business and Politics in an Age of Uncertainty", das im Verlag Palgrave Macmillan erschienen ist, zeigt u.a., wie sich wirtschaftsjournalistische Qualität fassen und verbessern lässt. Im Kurzinterview erzählt unser Professor für wirtschaftspolitischen Journalismus, um was es sonst noch geht und für was die ESSF-Formel steht.

 

Professor Müller, warum ein Buch über Wirtschaftsjournalismus? Warum sollte uns das Thema gerade jetzt interessieren?

Mit dem Buch versuche ich eine systematische Fundierung des Wirtschaftsjournalismus. Was ist seine Rolle in hochgradig differenzierten Gesellschaften? Welche Spielarten des Wirtschaftsjournalismus sind besonders relevant? Welche Kriterien sollten wir anlegen, um Qualität zu messen? Wie entstehen ökonomische Narrative und wie sollten Wirtschaftsjournalisten und Wirtschaftsforscher damit umgehen? Die Wirtschaft ist eine zentrale Sphäre moderner Gesellschaften, die in der Berichterstattung eher unterbelichtet bleibt. Eine seriöse, fortlaufende Coverage wird zunehmend in fachjournalistische Nischen abgedrängt. Wenn Wirtschaftsthemen in der breiteren Öffentlichkeit ankommen, dann häufig in verkürzter, sensationalisierter Form. Das öffnet Tür und Tor für die vergifteten Zuspitzungen des Populismus. Dieses Buch ist ein Plädoyer für wirtschaftsjournalistische Unabhängigkeit – in finanzieller, intellektueller und ideologischer Hinsicht. Gesellschaften und Märkte brauchen journalistische Medien als unabhängige Beobachtungsinstanzen, die im Aufmerksamkeitswettbewerb bestehen können.

 

Inwieweit unterscheiden sich denn Qualitätsmaßstäbe des Wirtschaftsjournalismus von jenen, die an den Journalismus insgesamt angelegt werden?

Das Berichterstattungssujet Wirtschaft kommt mit einigen zusätzlichen Komplikationen daher. Zentral ist, dass Journalistinnen und Journalisten in der Lage sind, entstehende Problemlagen frühzeitig zu erkennen. Wirtschaftliche und wirtschaftspolitische Entscheidungen haben eine starke Zukunftsausrichtung. Man versucht abzuschätzen, wie die weitere Entwicklung verlaufen wird. Der Wirtschaftsjournalismus soll dabei Orientierung liefern. Dieser Anspruch läuft aber üblichen Nachrichtenfaktoren zuwider, die ja typischerweise ereignisgetrieben sind. Es muss erst etwas passieren, damit darüber berichtet wird. Bei wirtschaftlichen Entwicklungen hingegen fehlt oft ein klares, sichtbares Ereignis. Also wird erst berichtet, wenn es bereits zu spät ist. Der Wirtschaftsjournalismus braucht Maßstäbe, die zu einer vorausschauenden Berichterstattung befähigen. Ich schlage dazu die ESSF-Formel vor. Das Akronym steht für Efficiency, Stability, Sustainability, Fairness. Wenn eines dieser vier Ziele verletzt wird, gibt es Anlass für eine Geschichte. Wenn gleich mehrere Ziele in eklatanter Weise verletzt werden, schreit das nach einer großen Geschichte. Die vier ESSF-Kriterien stellen ein Frühwarnsystem dar, weil Zielverletzungen mit Zeitverzögerung zu gravierenden ökonomischen und gesellschaftlichen Problemen führen. Journalismus ist keineswegs dazu verdammt, auf Stichwortgeber aus Politik und Wirtschaft zu warten. Wir können und sollten auch selbständig Themen auf die Agenda setzen. Das erfordert eine bestimmte Systematik bei Themenfindung und Recherche. Auch zu solchen praktischen Aspekten findet sich Einiges im Buch.

 

In den EU-Ländern ist die Wirtschaft weitgehend europäisiert. Auch die politische Integration schreitet in Teilen voran. Doch die Medien sind nach wie vor national. Passt das noch zusammen?

Schwerlich. Die Parallelität von nationalen Medienöffentlichkeiten und offenen Märkten produziert erhebliche politische und soziale Spannungen. Das gilt international, besonders aber innerhalb der EU, wo auch die Politik zu einem Großteil europäisiert ist. In den Medien hingegen dominiert die Blickwinkel der jeweiligen Nation. Zugleich entsteht ein Spitzensegment internationaler Top-Marken, wie Economist, Financial Times und Wall Street Journal, die grenzüberschreitend gelesen werden. Es besteht die Gefahr, dass wir es mit einer zweigeteilten Öffentlichkeit zu tun bekommen: einerseits liberale internationale Elitemedien, andererseits nationale Medien, die anfällig sind für populistische Lärmspiralen. Das wären Bedingungen, unter denen europäische Integration und internationale Zusammenarbeit kaum mehr mehrheitsfähig wären.

 

 

Prof. Henrik Müller

In seinem Buch "Challenging Economic Journalism" empfiehlt Prof. Müller Maßstäbe für den Wirtschaftsjournalismus, die zu einer vorausschauenden Berichterstattung befähigen.

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